Klassenkampf und kein Ende

MARKT 28.5.2010

„Freiheit - Gleichheit - Brüderlichkeit" - das waren die Ziele, für die die Bastille-Kämpfer am 14. Juli 1789 in Paris gestorben sind. Freiheitskämpfer hat es auch in Deutschland gegeben, Freiheit im allgemeinen Sinne gab es bei uns aber erst 200 Jahre später - von ihrer erstmaligen Durchsetzung während der Weimarer Episode einmal abgesehen.
Gleiche Rechte haben wir auch erst spät, nämlich 1920, errungen. Vorher war im wilhelminischen 3-Klassen-Wahlsystem die Stimme eines reichen Herrn Krupp in Essen so viel mehr wert, als die eines Durchschnittsbürgers, dass er allein ein Drittel der Mitglieder des Stadtrates bestimmen konnte.
Brüderlichkeit als - sehr fernes - Ziel ist wohl in einer Gesellschaft erst erreichbar, wenn die beiden vorher genannten Werte allgemein anerkannt sind.
Wie erziehen wir nun unsere Kinder, damit sie in unserer heutigen demokratischen Gesellschaft diese drei Grundwerte verinnerlichen, die in unserer Nationalhymne als „Einigkeit und Recht und Freiheit" gepriesen werden?

Gott bewahre uns vor demokratischer Gleichmacherei! Natürlich wollen wir das alte wilhelminische 3-Klassen-Schulsystem nicht aufgeben! Gemeinsames Lernen - wo kämen wir denn da hin? Womöglich würde Hans Reich mit Paula Arm auf die gleiche Schule gehen (Kinder reicher Eltern erhalten nach der PISA-Studie - bei wohlgemerkt gleicher Intelligenz - in Deutschland sechsmal häufiger eine Gymnasialempfehlung).
So ist es auch kein Wunder, dass der noble Carl-Friedrich Arp Ole Freiherr von Beust, amtierender Erster Bürgermeister (CDU) der Hansestadt Hamburg, trotz vehementen Einsatzes für den Plan seiner Grünen Schulsenatorin Christa Goetsch (dabei unterstützt von allen Senatsfraktionen!) für das längere gemeinsames Lernen der Hamburger Kinder am 17. Juli scheitern musste.
Und dies genau 90 Jahre nach dem Reichsschulgesetz der Weimarer Republik, das das gemeinsame Lernen in der Grundschule festlegte (auch damals wurde übrigens schon die 6-jährige Grundschulzeit heftig diskutiert). Das damalige Schulgesetz entstand aus demokratischen Prinzipien heraus, denn bis dahin gingen Kinder reicher Eltern auf Privatschulen, die sie auf das Gymnasium vorbereiteten.
Selbst fast vier Generation später sind wir also noch nicht viel weiter gekommen mit der demokratischen Schule - so der Eindruck. Doch immerhin sind ab dem 1. August im Sekundarbereich nicht mehr wie bisher 6, sondern nur noch 3 Schultypen (Gemeinschaftsschule, Gymnasium und Förderschule) - sowohl in Hamburg als auch in Stormarn - im Angebot. Gemeinsames Lernen - und damit ‚Einigkeit‘ - haben deshalb in jüngster Zeit durchaus zugenommen.
Ich wünsche Ihnen schöne Ferien und Ihren Kindern eine erfolgreiche Schulzeit!

Hartmut Jokisch
Stadtverordneter der Grünen

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