Netze in Bürgerhand

Lübecker Nachrichten 24.5.2011

In ihrer Veranstaltung für Bürgermeister, Kommunalpolitiker und interessierte Bürger(innen) haben die Grünen am Mittwoch in Bargteheide ein hochkarätiges Podium präsentiert: Die Bundestagsabgeordnete Ingrid Nestle, Dr. Dieter Perdelwitz als Geschäftsführer des 'Verbandes der Energiewirtschaft in Schleswig-Holstein', Olaf Beyer von der GETEC Kommunalpartner GmbH und Marius Lembicz von den in Stormarn und Lauenburg tätigen 'Vereinigten Stadtwerke VSG'.

Nestle, energiepolitische Sprecherin ihrer Fraktion, betonte im Eingangsreferat, dass die Energiewende nur gelänge, wenn auf der Verbraucher nahen Ebene die Entscheidungen auch durch die Bürger selbst gefällt werden würden und nicht durch einen Energiemonopolisten, wie E.on, der sich nur am Rendite-Interesse seiner Kapitalgeber orientiere.

Vereinzelt gäbe es ja schon Netzübernahmen durch die Kommunen, doch E.on zeige sich da wenig kooperativ.

"Sie wollen ihr Machtmonopol nicht aufgeben" schimpfte Nestle, "wir haben herausgefunden, dass die Konzerne falsche Daten herausgeben und damit die Demokratie unterlaufen!" Das empörte einen Besucher, Mitarbeiter bei RWE: "Dann ändern Sie doch die Gesetze, das können Sie doch im Bundestag!"

Nestle kontert: "Genau deshalb haben wir Grüne in der letzten Woche einen entsprechenden Energie-Netze-Antrag gestellt!" Doch leider habe die schwarz-gelbe Bundesregierung ablehnend reagiert. Auch von einem anderen Gesetzesentwurf der Grünen von Anfang des Jahres seien jetzt nur 2 der 3 Hauptpunkte der Grünen wiederzufinden und die Entscheidungsspielräume für Kommunen würden weiter eingeschränkt.

Dr. Perdelwitz pflichtete ihr bei, dass gerade die Kaufpreis-Ermittlung der Netze und die Datenübergabe Schwierigkeiten mache bei der Netzübergabe durch den Vorbesitzer E.on.

Von den etwa 800 Netzkonzessionen, die in Schleswig-Holstein zu vergeben wären, seien inzwischen 100 bei der E.on -Tochter SH-Netz-AG gelandet, die allerdings die Kommunen mit nur 49% Beteiligung aber gerade von der Gestaltungsmacht ausschließe.

Dagegen seien in seinem Verband VSHEW (dem auch die VSG von Herrn Lembicz angehöre) bereits 120 Gemeinden, die 51% der schleswig-holsteinischen Bürger durch ihre eigenen kommunalen Stadtwerke und Netze mit Strom versorgen würden.

Zum Thema Kaufpreis der Netze ergänzte Lembicz (VSG): "Netzanlagen refinanzieren sich durch Netzentgelte, die von den Stromlieferanten an den Netzbetreiber für den Transport von Strom gezahlt werden. Gerade alte abgeschriebene Netzanlagen wurden daher bereits in der Vergangenheit durch die Kunden bezahlt und damit refinanziert. Der Kaufpreis, den E.ON bei den Netzübernahmen verlangen kann, hat sich letztlich daran zu orientieren, denn schließlich sollen Kunden ja nicht zweimal zur Kasse gebeten werden!"

Die verschiednen Bewertungsmethoden (Sachzeitwert vs. Ertragswert als Kaufpreisbasis) wurden anhand eindrucksvoller Grafiken von ihm dargestellt. Lembicz warb dafür, in dem großen Gebiet Stormarn-Lauenburg, in dem die VSG bereits ihr Gas-Netz betreibt, auch die Strom-Netze gemeinsam mit den Kommunen zu rekommunalisieren, um so zukünftig Einfluss auf die regionalen Verteilnetze zu haben. Dass große Konzerne die Stromnetze nicht automatisch günstiger betreiben, zeigte Lembicz anhand eines Vergleiches der aktuellen Netzentgelte an einem Beispiel eines durchschnittlichen Haushaltskunden. Der Unterschied beträgt aktuell immerhin 19%.

Er verwies darüber hinaus auch auf die Entwicklung zu den "intelligenten Netzen" hin, die sich mit Hilfe der Datenleitungen - die auch die VSG verlegt - den zeitlich schwankenden Angeboten bei erneuerbaren Energien nahtlos anpassen könnten.

Dass man nicht nur "Netze in Bürgerhand" sondern auch "Energielieferanten in Bürgerhand" ins Leben rufen könne, meinte Beyer von der GETEC (www.getec-kp.de), die bundesweit rund 50 Energieversorgungsnetze betreibt und einer der größten konzernunabhängigen Energiedienstleister im deutschsprachigen Raum ist. Beyer verwies auf diverse „neue“ Energielieferanten, die Bürger mit Strom und Erdgas versorgten. Dazu zählen auch Unternehmen, die vollständig in kommunalen Besitz sind und Dienstleistungen von der GETEC-Gruppe in Anspruch nehmen, wie bspw. die Friesenenergie (www.friesenenergie.de).

Die Friesenenergie, die zu 100% in Besitz der Gemeinde Wangerland ist, versorgt nach weniger als 12 Monaten nahezu 2000 Kunden aus der Gemeinde und der norddeutschen Region mit Strom und Erdgas. Der Strom stammt dabei zu 60% aus Windenergie und zu 40% Wasserenergie und stellt damit ein wahrhaft grünes Projekt dar.

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